Trampolin statt Stolpersteine
Frau Z. aus Ravensburg leidet unter einer Alkohol- und Opiatabhängigkeit und ist seit einigen Jahren Klientin an der Beratungsstelle der Caritas Suchthilfen (Georgstraße 27). Sie wurde während ihrer Schwangerschaft in ein ärztlich überwachtes Substitutionsprogramm aufgenommen und suchte Unterstützung bei der Suchtberatung. Während ihrer Schwangerschaft war sie stark motiviert, die Abhängigkeit zu überwinden, um eine gute Mutter für ihren Sohn zu sein. Frau Z. hat mehrere Beratungsangebote und Interventionen wahrgenommen. Als ihr Sohn zur Welt gekommen war, entschied sich Frau Z., das Angebot einer stationären Mutter-Kind-Therapie wahrzunehmen. Diese hat ihr sehr geholfen, sowohl im Umgang mit ihrer Suchterkrankung als auch dabei, die schwierige Balance zwischen Selbstfürsorge und Mutterpflichten zu meistern.
Seither ist Frau Z. bemüht, abstinent zu leben, nimmt jedoch weiterhin das ambulante Beratungsangebot in Anspruch, um in einem geschützten Rahmen über ihre Abhängigkeit und die damit einhergehende psychische Belastung zu sprechen, die ihr in manchen Situationen noch immer den Alltag schwer macht. Ihr Sohn (im Folgen A. genannt) ist mittlerweile acht Jahre alt. Er ist eines von etwa drei Millionen Kindern in Deutschland, das mit einem oder zwei abhängigkeitserkrankten Elternteilen lebt. Auch wenn seine Mutter sich im gemeinsamen Alltag viel Mühe gibt, merkt er, dass es ihr an manchen Tagen sehr schwerfällt, ihm ein Pausenbrot vorzubereiten oder dem Haushalt nachzukommen. Manchmal sitzt sie stundenlang am Küchentisch und weint. Frau Z. weiß nicht, wie sie ihre Suchterkrankung bei ihrem Sohn thematisieren soll. Sie schämt sich häufig und hat Angst, eine schlechte Mutter zu sein und ihrem Sohn zu schaden.
A. hat als Kind aus einer suchtbelasteten Familie ein 2,5-fach höheres Risiko, später selbst einmal abhängigkeitskrank zu werden oder an einer psychischen Erkrankung zu leiden (NACOA Zahlen | NACOA Deutschland). Daher ist es wichtig, dass es Angebote gibt, die A. dabei helfen können, sich in seinem Alltag möglichst gesund zu entwickeln. Es gibt schützende Faktoren, wie beispielsweise dem Erfahren von Selbstwirksamkeit und aktiver Freizeitgestaltung, die dabei helfen können.
Eine gute Möglichkeit, Frau Z. und A. in ihrer Situation zu unterstützen, wäre das Kindergruppenangebot "Trampolin".
Das Projekt "Trampolin" ist ein zertifiziertes Programm, das sich an Kinder aus suchtbelasteten Familien richtet und in Nachbarregionen (z.B. Biberach) bereits erfolgreich durchgeführt wird. Es zielt darauf ab, diesen Kindern eine stabile und förderliche Umgebung zu bieten, in der sie ihre sozialen und emotionalen Kompetenzen entwickeln können, während ihre Eltern gleichzeitig Unterstützung bei der Bewältigung ihrer Suchtproblematik erhalten. A. könnte in Gruppen mit gleichaltrigen Kindern in einem geschützten Raum seine sozialen, emotionalen und kognitiven Fähigkeiten spielerisch stärken. Dabei erhalten sie Antworten auf Fragen wie: "Wie wirken Alkohol und Drogen?", "Wie kann ich mit schwierigen Situationen in der Familie umgehen?". Zudem lernen sie wichtige Leitsätze wie: "Ich bin wertvoll und habe eine Menge guter Eigenschaften." oder "Ich kann mir Hilfe holen, wenn ich allein nicht weiterkomme." Dabei könnte A. auch die Erfahrung machen, dass er nicht das einzige Kind ist, bei dem Zuhause nicht immer alles rund läuft.
Seine Mutter hätte die Möglichkeit, in Gruppen gemeinsam mit anderen Eltern an ihrer Suchterkrankung zu arbeiten und sich in einem geschützten Umfeld mit anderen suchtkranken Elternteilen austauschen, denen es im Alltag ähnlich ergeht. Sie könnte lernen, was für Kinder besonders wichtig ist, deren Eltern Schwierigkeiten mit Alkohol oder Drogen haben und wie sie ihren Sohn ausreichend dabei unterstützen kann.
Leider wird derzeit im Landkreis Ravensburg, dem Heimatlandkreis von Frau Z. und ihrem Sohn A., aus wirtschaftlichen Gründen kein solches Angebot finanziert. Die Caritas Suchthilfen in der Region Bodensee-Oberschwaben hält ein solches Angebot für die Arbeit mit Kindern aus suchtbelasteten Familien für dringend erforderlich, kann aber aufgrund mangelnder Finanzierungsmöglichkeiten und Mittelkürzungen in diesem Bereich nicht tätig werden. Die Notwendigkeit und Dringlichkeit gegenüber dem Landkreis Ravensburg, wurde seitens der Caritas Suchthilfen bereits öfter dargestellt und thematisiert.
Das bedeutet für Frau Z. möglicherweise ein erhöhtes Risiko für Rückfälle und eine anhaltende Überforderung in ihrer Mutterrolle, während ihr Sohn ohne die nötige Unterstützung in seiner Entwicklung und in der Verarbeitung seiner eigenen Herausforderungen zurückbleiben könnte. Das Fehlen solcher spezialisierten Angebote verringern die Chancen auf eine nachhaltige Genesung und eine stabile, gesunde Eltern-Kind-Beziehung erheblich.
Hintergrundinformation und Zahlen
Vom 16. bis 22. Februar 2025 will die 16. bundesweite Aktionswoche auf dieses Thema aufmerksam machen und Kindern und Jugendlichen aus suchtbelasteten Familien eine Stimme geben. Wie notwendig dies ist, zeigt die Geschichte von Frau Z. und ihrem Sohn. Die Suchthilfen der Caritas Bodensee-Oberschwaben beraten und begleiten im Landkreis Ravensburg suchtkranke Eltern, auch im Hinblick auf den Umgang mit ihren Kindern, um diese stärken, schützen und entlasten zu können. Aktuell leben insgesamt 376 minderjährige Kinder in suchtbelasteten Familien mit mindestens einem suchtkranken Elternteil, der die Beratung der Caritas Suchthilfen in Anspruch nimmt (Stand 31.12.2024)."