Studium schwanger und mit Kind - Ein Hürdenlauf mit der Bürokratie
Davina Haley erzählt im Interview mit der Caritas, was ihr in ihrer Situation geholfen hat. Warum sie sich an die Katholische Schwangerschaftsberatung der Caritas gewandt hat, wie ihr die Allgemeine Sozialberatung weitergeholfen hat und was sie Studierenden rät, die ein Kind erwarten.
Als schwangere Studierende: Wie ging es Ihnen da in Ihrem "Arbeitsumfeld"? Haben Sie Unterstützung erfahren?
Davina Haley: Ich studiere angewandte Psychologie und als ich Anfang 2020 schwanger geworden bin, haben sich viele Dinge im Studienkontext eher aufgrund von Corona, als aufgrund meiner Schwangerschaft verändert. Für mich als schwangere Studierende war dann erst mal wichtig: Wie geht es für mich nach meiner Babypause weit Als ich dann wieder eingestiegen bin, hat das auch gut funktioniert.
Wie haben Sie sich auf die Babypause vorbereitet? Welche Schritte waren nötig?
Beim Prüfungsamt habe ich einen Antrag auf Beurlaubung gestellt und Nachweise über meine Schwangerschaft vorgelegt. Außerdem habe ich noch ein Beratungsgespräch der Sozialberatung des Seezeit Studierendenwerks in Anspruch genommen. Da habe ich Informationen über die Finanzierungsmöglichkeiten während meiner Babypause bekommen und auch den Hinweis, dass ich mich an die Schwangerschaftsberatung der Caritas wenden kann. Für mich persönlich war es sehr herausfordernd, während meiner Schwangerschaft zu studieren, sicherlich auch aufgrund der äußeren Umstände mit Corona etc. Daher habe ich in dem Semester nur wenige Prüfungsleistungen abgelegt und sehr viel Unterstützung von meinen Mitstudierenden erfahren.
Wie erging es Ihnen während der Babypause?
Die Babypause war finanziell sehr belastend, da wir mit dem BAföG meines Partners, meinem Mindestsatz an Elterngeld und Hartz IV bedeutend weniger Geld hatten als vorher, als wir noch beide einen Nebenjob und BAföG hatten. Abgesehen von der finanziellen Belastung konnte ich aber meine Elternzeit genießen. Wir haben davon profitiert, dass die Vorlesungen zu der Zeit nur online waren und mein Partner daher die meiste Zeit zuhause war. Das war natürlich für die Beziehung der beiden sehr förderlich und für mich auch eine große Entlastung, vor allem im Wochenbett.
Zu welchem Zeitpunkt mussten Sie das erste Mal länger auf Geld oder Unterstützungsleistungen warten, die Sie rechtzeitig beantragt haben?
Ich habe im Laufe des Sommers Hartz IV beantragt, als schon klar war, dass ich aufgrund der Geburt meiner Tochter das kommende Wintersemester nicht mehr studieren und somit mein Anspruch auf BAföG verfallen würde. Das ging natürlich erst dann, als die Hochschule mir bescheinigt hatte, dass die Beurlaubung für das Wintersemester genehmigt sei. Als dann Ende August mein BAföG auslief, war der Prozess der Hartz-IV-Genehmigung noch nicht durch und ich stand ab September ohne Geld da. Ich glaube, das erste Mal Hartz IV habe ich dann im Dezember oder Januar erhalten. Das heißt, ich hatte in dieser Zeit gar kein Einkommen, musste aber trotzdem Miete, Krankenversicherung etc. zahlen. Wir hatten dann nur das BAföG meines Partners und haben uns Geld von Familie und Freunden leihen müssen, um über die Runden zu kommen.
Sicherlich eine schwere, zehrende Zeit. Wann haben Sie sich dann an die Schwangerschaftsberatung gewandt und aus welchen Gründen?
Ich habe mich recht früh an die Schwangerschaftsberatung gewandt, also ich glaube schon im April oder Mai, weil ich ja schon aus der Sozialberatung wusste, dass man dort auch Geld z.B. für die Erstausstattung beantragen kann. Das war eigentlich die Hauptmotivation, da wir ja beide studieren und nicht wirklich Erspartes hatten, auf das wir für das Baby zurückgreifen konnten.
Wie genau konnte die Beratungsstelle Ihnen weiterhelfen?
Wir haben dort Geld für die Erstausstattung bekommen und auch, nachdem ich nach eineinhalb Jahren Beurlaubung wieder ins Studium eingestiegen bin. Unsere Beraterin Elke Mayer hat uns immer wieder unterstützt. Sei es bei den Anträgen für das Wohngeld oder Kinderzuschlag oder bei sonstigen Fragen, zum Beispiel als mein Partner zur Überbrückung zwischen Bachelorabschluss und Masterbeginn für einen Monat Hartz IV beantragen musste. Da hat dann die Caritas auch mal finanziell "überbrückt", damit wir unsere Miete zahlen konnten. Eine enorme finanzielle Hilfe war außerdem das Geld von der Bundesstiftung "Mutter und Kind". Von der Stiftung bekommen wir seitdem (bis zum vollendeten dritten Lebensjahres unserer Tochter ) quartalsweise Geld, was uns sehr hilft finanzielle Engpässe zu überwinden, wenn mal wieder das BAföG, Wohngeld oder Kinderzuschlag ausgelaufen ist und nicht rechtzeitig weiter gezahlt wurde.
Was könnte der deutsche Staat besser machen? Was würden Sie sich wünschen?
Ich würde mir wünschen, dass Familien mehr finanzielle und unbürokratischere Unterstützung bekommen würden, die Gelder schneller fließen und es nicht ständig diese Lücken gäbe, in denen große Teile unseres Einkommens wegfällt. Wenn alle Gelder gleichzeitig fließen, die uns zustehen, können wir als Studierende davon ganz okay leben. Es ist aber ein enormer bürokratischer Aufwand und kostet sehr viel Zeit und Kraft, ständig alles neu beantragen zu müssen und auch den Überblick zu behalten. Zusätzlich würde ich mir auch wünschen, dass Studierende in der Babypauset auch mehr als die 300 Euro Mindestsatz beim Elterngeld bekämen und sie dann von Bürgergeld leben müssen. Eine soziale Teilhabe ist mit diesem sehr knapp bemessenen Satz kaum möglich und führt dazu, dass die Schere zwischen Arm und Reich in der Gesellschaft noch größer wird.
Beschreiben Sie, wie Sie sich mit der Situation, angewiesen zu sein, gefühlt haben.
Ich habe den Prozess der Antragsstellung als erniedrigend empfunden. Sogar für uns als deutsche Muttersprachler mit einem hohen Bildungsgrad war und ist diese ganze Bürokratie ein enormer Aufwand. Ich kann mir kaum vorstellen, wie es für Menschen ist, die andere Voraussetzungen haben. Mein Partner und ich wissen, dass wir irgendwann nicht mehr von staatlichen Geldern abhängig sind und in unseren späteren Jobs ein gutes Einkommen haben. Das hilft uns dabei, diese Zustände der Existenzangst und auch das Gefühl der Hilflosigkeit und Wut auszuhalten. Ich glaube, ich würde irgendwann in ein tiefes Loch fallen, wenn ich wüsste, dass es keinen Ausweg aus dieser finanziell belastenden und unsicheren Situation gäbe. So, wie es zum Beispiel oft für Menschen mit Migrationshintergrund der Fall ist. Oder auch bei Menschen, die aufgrund von Krankheit, keiner Ausbildung oder anderen Gründen nur über ein geringes Einkommen verfügen und daher am Existenzminimum leben. Seit meinem Wiedereinstieg ins Studium gab es vielleicht zwei Monate am Stück, in denen alle Gelder gleichzeitig reinkamen, die uns zustehen. In der restlichen Zeit fehlt immer irgendwas - aktuell z.B. seit März das Wohngeld. Wenn irgendwo ein Bescheid fehlt - weil er z.B. noch nicht bearbeitet wurde,- zieht das oft einen langen Rattenschwanz nach sich, weil die Genehmigungen für bestimmte Gelder wiederum von der Genehmigung anderer abhängen. Das bedeutet für uns also, dass wir die meiste Zeit nicht genau wissen, wie viel Geld uns im nächsten Monat zur Verfügung steht, weil wir nicht wissen, wie schnell Anträge bearbeitet werden und wann das Geld dann bei uns ankommt.
Wie gehen Sie damit um? Was raten Sie Studierenden in ähnlicher Situation?
Mittlerweile wüsste ich gar nicht, ob ich mich nochmals dafür entscheiden würde, während des Studiums ein Kind zu bekommen. Für mich hat es bisher eher mehr Nachteile mit sich gebracht, zum Beispiel, was Studienleistungen angeht. Oder zum Beispiel auch, dass sich zwischenzeitlich die Gesetzeslage meines Studiengangs geändert hat und der Master, den ich machen möchte, jetzt nicht mehr angeboten wird. Durch meine Babypause bin ich ein Jahr zu spät dran. Das wusste ich vorher nicht.
Ich würde Studierenden mit Kindern aber grundsätzlich raten: Informiert euch darüber, was eure Rechte sind, ob es Sonderregelungen in der Prüfungsordnung gibt. Welche Gelder euch zustehen und bringt euch z.B. an der Hochschule oder Uni ein, sofern ihr die Kapazitäten habt. Beschwert euch, wenn ihr euch aufgrund von eurer Elternschaft benachteiligt fühlt.