Täterarbeit ist immer Opferschutz – Das Projekt kraft.akt
Ravensburg, 05.09.2024 - In 2023 sind über 250.000 Menschen Opfer häuslicher Gewalt geworden.
Über 70% der Opfer sind weiblich und über 75% der Täter*innen sind männlich. (vgl https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/lagebild-haeusliche-gewalt-2201488 Zugriff am 25.8.24). Damit ist diese Zahl weiterhin angestiegen. In 2023 kam es in 363 Fällen von häuslicher Gewalt im Landkreis Ravensburg zu einem Polizeieinsatz. Auch hier waren über 75% der Täter*innen männlich. Häusliche Gewalt tritt in jeder gesellschaftlichen Bevölkerungsgruppe/sozialer Schicht auf und hat gesellschaftliche, kulturelle, historische und besonders auf das Geschlecht bezogene Kontexte. Sie dient immer der Stabilisierung von Machtverhältnissen. Die Dunkelziffer ist groß, oft wird nicht die Polizei gerufen, oft werden Taten versteckt oder geleugnet. Es ist somit nicht bekannt, wie viele Menschen tatsächlich Opfer häuslicher Gewalt werden.
Aufgrund der besorgniserregenden Zahlen gibt es nun einen Vorstoß von Frau Faeser, Täterarbeit im Rahmen des Gewaltschutzes verpflichtend zu etablieren. Ein wichtiger Vorstoß, bei dem aber vor allem auf einen längeren Prozess gesetzt werden und es nicht bei wenigen verpflichteten Beratungsgesprächen verbleiben sollte.
Seit 2021 gibt es im Landkreis Ravensburg das Projekt kraft.akt, ein Kooperationsprojekt der Caritas Bodensee-Oberschwaben und der Diakonie Oberschwaben Allgäu Bodensee, das mit Tätern mit dem Ziel arbeitet, weitere Gewalttaten zu verhindern. Es ist finanziert von Landratsamt Ravensburg, seit 2023 werden zwei Plätze zusätzlich vom Landratsamt Bodenseekreis finanziert)
Im Rahmen von kraft.akt wird ein- bis zweimal im Jahr ein umfangreiches Sozialtraining angeboten, in dem auf Grundlage der vollständigen Verantwortungsübernahme des Täters eine umfangreiche Auseinandersetzung mit der Tat/den Taten und den Tatsituationen stattfindet, um weitere Gewalttaten zu verhindern und neue Strategien zu erlernen. Dieses überstreckt sich über 18 Termine und dauert etwa ein halbes Jahr. Bevor eine Teilnahme am Gruppenangebot möglich ist, werden die Männer durch Beratung begleitet. Diese Beratung erfolgt immer zeitnah nach Anfrage. Wenn sie aus unterschiedlichen Gründen nicht von einem Gruppenangebot profitieren können, wie beispielsweise wenn noch keine Tateinsicht erreicht ist, werden die Täter oft über viele Monate beraten. Auch im Anschluss an das Sozialtraining stehen die Berater*innen von kraft.akt weiterhin als Ansprechpersonen zur Verfügung. Diese enge Begleitung über einen längeren Zeitraum sehen wir als nachhaltiges Wirkelement an, sowohl um eine erneute Gewalttat zu verhindern als auch im Falle eines Rückfalles, die sofort eine erneute Beratung und Begleitung ermöglicht.
Innerhalb des Projektes, sowohl in der Beratung, als auch im Sozialtraining gehen wir von folgenden Grundannahmen aus:
• Jede*r Täter*in ist für ihr*sein gewalttätiges Verhalten zu 100% verantwortlich und jeder Gewalttat liegt eine Entscheidung zu Grunde
• Jedes gewalttätige Verhalten hat das Ziel Kontrolle sicher zu stellen und Macht herzustellen
• Wir betrachten gewalttätiges Verhalten als erlerntes Verhalten und gehen davon aus, dass auch gewaltfreie Konfliktlösungsstrategien erlernt werden können
Schon im letzten Jahr erlebten wir, dass sich viele Männer selbstständig meldeten, was wir als äußerst positive Entwicklung erachten. Weitere Zugangswege waren über die Polizei, die Justiz, die Bewährungshilfe und das Jugendamt. Kommt der Teilnehmer über eine Auflage der Staatsanwaltschaft, dann muss dieser die Erfüllung der Auflage nachweisen.
Im Juli endete der vierte Durchlauf des Sozialtrainings. Von den 10 Männern, die es im November 2023 begonnen haben, haben es 6 abgeschlossen. Das Training war sehr intensiv und wurde von den Teilnehmern als positiv bewertet. Einige werden sich in einer Art Selbsthilfegruppe weiter treffen. Für all diese Männer, unabhängig davon, ob sie das Sozialtraining abgebrochen haben oder nicht, bieten wir weiterhin Beratung an. Ein Teilnehmer wird den Kurs wiederholen.
Der nächste Kurs findet ab November in Ravensburg statt. Falls Sie Interesse an der Teilnahme haben oder weitere Informationen benötigen, wenden Sie sich bitte an die Caritas, Telefon: 0751 3590150 oder an die Diakonie, Telefon: 0751 95223-070 .
Mehr Informationen über unsere Homepage www.caritas-bodensee-oberschwaben.de unter folgendem direkten Link sowie auf www.diakonie-oab.de