Kinderhaus St. Agnes: Vorlesepaten bringen Sprache näher
Aber auch alle anderen interessierten Kinder können kommen und zuhören. Das Angebot ist eine Aktion der Kinderstiftung Bodensee.
Vorlesepatin Gabriele Glocker liest im Montessori-Kinderhaus St. Agnes den dreijährigen Ruqaya, Mateo und Lana Geschichten vor – und bringt ihnen so die deutsche Sprache näher.Brigtte Geiselhart
Eine heimelige und familiäre Atmosphäre: Gabriele Glocker hat es sich auf einem Sitzkissen gemütlich gemacht. Um sie herum kuscheln sich Ruqaya, Mateo und Lana - drei Dreijährige, die sich sichtlich wohlfühlen und vor allem gespannt sind, was die ihnen längst gut bekannte Frau heute für ein Buch mitgebracht hat, aus dem sie vorlesen wird.
Dienstagvormittag im Montessori-Kinderhaus St. Agnes. Hier gehen Mädchen und Jungs aus 20 Nationen ein und aus. Für Gabriele Glocker ist das kein Pflichttermin, sondern ein Tag, auf den sie sich immer aufs Neue freut. Die pensionierte Fremdsprachenlehrerin gehört zum Team der Paten des Vorlesenetzwerks der Kinderstiftung Bodensee und hat ein eigenes Konzept entwickelt, Kindern mit Migrations- oder Flüchtlingshintergrund die Freude an der deutschen Sprache näherzubringen.
Ein erfolgreicher Weg ist das regelmäßige Vorlesen in kleinen Gruppen. Ruqaya, Mateo und Lana sind mit großem Interesse dabei und scheinen ihren Spaß zu haben. Das Angebot sei aber nicht nur an Kinder gerichtet, die es "nötig" haben, wie Gabriel Glocker betont. Anders gesagt: Alle Kindergartenkinder, die Interesse haben, ihren Wortschatz ein wenig auszubauen, sind hier richtig. "Ein ehrenamtliches Engagement, das nicht selbstverständlich ist. Frau Glocker bringt jede Woche auch genügend Zeit mit. Alle Kinder profitieren davon. Dafür sind wir sehr dankbar", erklärt Kinderhausleiterin Carolin Macherauch. "Natürlich ist unser Angebot als Ergänzung und nicht als Konkurrenz oder Ersatz für Sprachfördermaßnahmen der Stadt oder des Landkreises gedacht", fügt sie hinzu.
Auch Marielle Veser, Koordinatorin des Vorlesenetzwerks der Kinderstiftung Bodensee, berichtet von durchweg guten Erfahrungen und vielen positiven Rückmeldungen vonseiten der Kinder und Eltern. Positive Reaktionen kommen aber auch von den mittlerweile rund 75 Vorlesepaten, die in insgesamt 43 Schulen, Kindergärten und Büchereien regelmäßig im Einsatz sind. Hunderte von Kindern im Alter von zwei bis etwa acht Jahren werden mit diesem Angebot mittlerweile erreicht. "Mit unserem Projekt wollen wir durch niedrigschwellige Vorleseangebote besonders Kinder aus bildungsschwächeren Familien fördern", erklärt Marielle Veser. "Dabei kommt auch die Förderung von Sozialkompetenz und Empathie nicht zu kurz."
"Sprache ist der Schlüssel für die Welt, aber auch der Türöffner für Toleranz", sagt Gabriele Glocker. In ihrer jahrzehntelangen Tätigkeit als Lehrerin hat sie mit Kindern aller Altersgruppen gearbeitet, war selber viel im Ausland unterwegs. Sie weiß genau, wie gerade die Kleinsten auf das gesprochene Wort reagieren, auch in einer ihnen vielleicht noch nicht so ganz geläufigen Sprache. "Und ich weiß, dass sich Kindergartenkinder gegenseitig unterstützen", sagt Gabriele Glocker. Eine Erfahrung, die auch von Carolin Macherauch bestätigt wird.
Ruqaya, Mateo und Lana ficht das an diesem Dienstagvormittag alles wenig an. Entspannt liegen sie im Arm von Gabriele Glocker und lauschen fast andächtig ihren spannenden Geschichten. Sie sind beim nächsten Mal bestimmt wieder mit von der Partie, wenn die Vorlesepatin kommt.
Veröffentlichung des Artikels vom 29.03.2017 mit freundlicher Genehmigung des Südkurier.