Innehalten: Wie achtsame Haltung sich selbst gegenüber den Umgang mit Konflikten verändert
In der letzten Woche haben wir Ihnen beschrieben, wie Sie aus dem "störenden" Verhalten Ihres Kindes versteckte Botschaften entschlüsseln können, die Sie zu den Grundbedürfnissen Ihres Kindes zurückführen, die aus seinen Augen momentan unerfüllt sind. Dieser Blick mag Ihnen zusätzliches Verständnis für Ihr Kind und sein störendes Verhalten ermöglichen.
Was können Sie nun aber konkret machen, wenn Ihr Kind Verhalten zeigt, mit dem Sie nicht einverstanden sind und Konflikte entstehen?
Innehalten: Wie die achtsame Haltung sich selbst gegenüber die Voraussetzung für Veränderung im Umgang mit Konflikten schafftPixabay
Vielen Eltern geht es so, dass sie feststellen, dass sie im Ärger immer wieder gleich reagieren: Sie geraten ins Schimpfen, machen ihrem Kind Vorwürfe, drohen mit Strafen oder handeln aus Mitleid. Gleichzeitig bemerken sie, dass dieses Verhalten den Konflikt nicht entschärft, sondern dieselbe Situation immer und immer wieder aufkommt und das störende Verhalten Ihres Kindes vielleicht sogar mehr wird anstatt weniger.
Dann befinden Sie sich in dem Kreislauf der Entmutigung. Aus diesem Kreislauf kann Ihr Kind nicht einfach aussteigen - einen Ausstieg aus dem Kreislauf zu finden ist Aufgabe von Ihnen als Erwachsenen. Wie aber kann dies gelingen? Wie können Sie aus einer Konfliktsituation aussteigen und einen konstruktiveren Weg mit Ihrem Kind gehen?
In den nächsten Tagen möchten wir Ihnen eine Strategie aus dem KESS-Programm® vorstellen, die IRIS-Strategie, die einen solchen neuen Weg zum Umgang mit solchen Kreisläufen vorschlägt. Möglicherweise haben Sie jedoch wenig Hoffnung auf das Gelingen einer neuen Strategie, weil Sie sich schon oft vorgenommen haben, etwas anders zu machen bzw. auf Ihr Kind weniger gereizt zu reagieren oder weniger schimpfend, und weil dieses Vorhaben genauso oft auch schon gescheitert ist.
Oft sind es die oben beschriebenen immer gleichen, ja automatisch ablaufenden Reaktionen, die gute Vorsätze zum Scheitern bringen und Eltern doch wieder wie gewohnt genervt, schimpfend, vorwurfsvoll oder mitleidig reagieren lassen. Automatische Reaktionen springen sehr schnell und ohne dass es richtig bemerkt wird an, sodass Eltern sich trotz aller guten Vorsätze wieder im immer gleichen Kreislauf finden.
Automatischen Reaktionen frühzeitig erkennen
Voraussetzung, um neue Strategien in Konflikten mit Ihren Kindern anzuwenden ist also, dass Sie Ihre automatischen Reaktionen auf das störende Verhalten Ihres Kindes frühzeitig bemerken. So früh, dass es Ihnen noch möglich ist, Innezuhalten und diesem automatischen Verhalten entgegen zu steuern, bevor der Konflikt seine gewohnte Kurve genommen hat. Deshalb ist das Innehalten der erste Schritt der IRIS-Strategie - und womöglich gleichzeitig der Schwierigste.
Um Innehalten zu können, ist es essentiell wichtig, dass Sie als Eltern in Kontakt mit sich selbst sind, dass Sie Achtsamkeit für Ihre inneren Reaktionen entwickeln. So - im aufmerksamen Beobachten Ihrer eigenen Gefühle und Reaktionen - können Sie spüren, wie und wann ungute Kreisläufe mit Ihren Kindern entstehen und können früh genug anders als sonst reagieren und etwas Veränderndes ausprobieren.
Wie aber funktioniert dieser Kontakt zu sich selbst?
Tatsächlich geht es zunächst einmal darum, sich selbst und Ihre inneren Vorgänge zu beobachten. Versuchen Sie, sich selbst gegenüber aufmerksam zu sein. Dafür kann es hilfreich sein, sich immer wieder zu fragen: Was löst das Verhalten meines Kindes in mir aus? Mit welchen Gefühlen reagiere ich auf störendes Verhalten Ihres Kindes? Wie werden diese dann im Konflikt stärker/schwächer? Beobachten Sie auch Ihre Körperreaktionen: Was spüren Sie in Ihrem Körper, wenn Sie ärgerlich oder genervt werden? Bemerken sie, was die Auslöser sind?
Wenn Sie sich so beobachten, geht es nicht darum sich selbst oder Ihr Verhalten zu beurteilen, sondern es geht darum, dass Sie sich selbst und Ihre automatischen Reaktionen in Konflikten besser kennen lernen. So wie Sie versuchen, über die versteckten Botschaften im Verhalten Ihres Kindes Ihr Kind besser zu verstehen, so können Sie nun versuchen, auch Sie selbst und Ihre Reaktionen im Konflikt besser zu verstehen.
Je besser Sie diese kennen lernen, umso einfacher wird es Ihnen mit der Zeit fallen, automatische Reaktionen in Konflikten so früh zu bemerken, dass Sie, anstatt wieder genauso zu reagieren, Innehalten können. Damit haben Sie einen ersten und den gleichzeitig wichtigsten und Schwierigsten Schritt bewältigt, um mit Konflikten mit Ihren Kindern zukünftig anders umzugehen.
Das achtsame Beobachten von Ihnen selbst ist wie die Vorarbeit, die die Voraussetzung schafft, dass Sie im Konflikt innehalten können, damit dann keine automatische Reaktion, sondern ein verändertes, konstruktiveres Vorgehen folgen kann.